🌟 Feliz Natal - Weihnachten in Portugal 🌟

Auf dem Bild ist eine Szene aus einer Weihnachtskrippe zu sehen. Figuren sind in einem Stall aufgebaut.

Portugiesen sind Weltmeister im Feiern. Das ganze Jahr über gibt es Anlässe zum Gesellig sein und Weihnachten krönt den Höhepunkt der Zusammenkunft überhaupt.

Krippen werden gleich Anfang Dezember aufgestellt. In jedem Haus eine eigene, meistens aus Naturmaterialien selbst gebastelte. In jeder Kirche und Kapelle im Großformat wachen die Heiligen Drei Könige, nebst Kuh und Esel, Schaf und Ziege, und schauen mit Maria und Josef in die Krippe im nachgeahmten Stall. Eine Superlative-Krippe finden Krippenliebhaber an der Algarve in Vila Real de Santo António eingebettet in eine originalgetreue Landschaft mit 7500 Figuren ausgestellt.

an der Algarve in Vila Real de Santo António eingebettet in eine originalgetreue Landschaft mit 7500 Figuren

In der Basilika-Kirche Estrela zu Lissabon steht die älteste ganz und gar aus Holz erschaffene und auf den Weihnachtsmärkten allerorts tummeln sich Pantomimen, die das Krippenspiel live nachstellen. In Évora im Alentejo lädt ein eigenes Krippenmuseum mit Werken aus der christlichen Welt ein. In Castro Marim gibt es Figuren aus Meersalz, in Monchique aus Kork, in Borba aus Marmor skulptiert und in São Pedro de Corval aus Ton modelliert, in der Serra do Mú aus Flicken genäht und vielerorts lebensgroß aus Pappmaché geklebt. Jede Krippe ist ein mit Herzblut erschaffenes Einzelstück, so dass du während der Vorweihnachtszeit in Portugal regelrecht zum Krippenpilgern gehen und überall wieder etwas Neues sehen kannst.

Ein Detail eint sie jedoch alle. Die Krippe ist noch leer. Erst am Heiligabend bettet man eine Christuskind-Puppe oder Figur in die mit Stroh gefüllte Mulde. In etlichen Kirchengemeinden ist es sogar nach wie vor Brauch, dass die Gläubigen am Ende der Messe Missa do Galo, nachdem der Hahn um Mitternacht mit einem Schrei (vom Band) die Geburt des Christkindes verkündet, die Figur auf die Stirn zu küssen und sich anschließend gegenseitig zu umarmen. Erst danach geht es heim zur Bescherung.

Scherenschnitt einer Krippe an einer Mauer und eine Szene aus einer Salzkrippe.

Doch bis zur Noite da Consoada de Natal, wie Heiligabend hierzulande heißt, gibt es etliches zu erledigen. Getreidesamen keimen in kleinen Blumentöpfchen, denn sie schmücken mit grünen Halmen den hauseigenen Altar neben der Krippe. Reife Orangen gehören dazu, Olivenzweige und Lavendel. Es sind milde Gaben für den erbetenen Segen für Familie und Heim für das kommende Jahr: Möge dank der Keime das Mehl für Brot niemals ausgehen, dank Orangen es nie an Geld fehlen, dank des Ölbaumes das Heim ein Hort des Friedens sein und der Rauch der Lavendelzweige böse Geister aussperren. Ältere Semester stellen zur Abschreckung zusätzlich einen Unterteller mit Reis und Knoblauch hinter die Eingangstür, davor eine Froschfigur und hängen die Hand Fátimas auf. Manchmal noch ein Glasauge, als Schutz vor dem bösen Blick. 

Selbstverständlich kommt in Portugal an Heiligabend Bacalhau auf den Tisch. Denn die Portugiesen und der erst gesalzene und dann getrocknete Kabeljau aus dem Eismeer verbindet eine kulinarische Liebesbeziehung. „Treuer Freund“, Amigo Fiel, nennen sie den Fisch, der Jahrhundertelang das Protein von Fleisch auf dem Tisch ersetzt hat, als Fleisch von der Kirche noch als Verführung zur Sünde proklamiert wurde und als sich kaum eine Familie überhaupt welches leisten konnte. Kabeljau nährt – und schmeckt. So haben portugiesische Hausfrauen aus der einstigen Not eine Tugend gemacht und Dutzende köstliche Arten der Zubereitung ersonnen. Dazu zählen delikate Gratins mit Bechamel, Gambas, Banane. Bacalhau-Pfannküchlein mit Kräutern. In Tomaten-Zwiebelsud gesottene Filets. Zerzupft und à la spirituell im Brotteig gebacken oder mit Ei und Oliven zur Omelette in der Pfanne geschwenkt. Bacalhau geht immer und mit allem.

Der Heiligabend-Bacalhau vereint, was im Winter wächst: Kohl, und Kartoffeln, zum Fisch ein hartgekochtes Ei - in Andenken an jene Zeiten, als niemand mehr auf den Teller bringen konnte. Heutzutage wird Bacalhau phantasievoll lukullisch serviert. Vorher bricht die Familie Brot und tunkt es in Olivenöl. Noch ein schöner Usus, genannt Tiborna, als man jeden Reisenden vorbehaltlos willkommen hieß und Brot mit ihnen brach. „Du kommst als Fremder und gehst als Freund“, heißt es weise. Brot als Symbol des Vertrauens, Olivenöl als Ausdruck friedlicher Absicht. Dazu trinkt die Familie mit ihren Gästen am Heiligabend Rotwein. Gerne einen Roten mit ausdrucksstarkem Bouquet, zum Beispiel »Castelares Reserva« aus der Vinho Bar von der »Quinta dos Castelares«.

 Olivenöl von Quinta de la Rosa, daneben ein Brotkorb auf einer Holzscheibe.

Zum Dessert stehen jede Menge Süßspeisen bereit. Alle bringen sie ein anderes Dessert mit. In Anlehnung an die biblische Geschichte gibt es Geschenke - und Süßes zu Christi Geburt. Denn Zucker war früher rar – und teuer. Naschwerk als Geschenk gilt deswegen nach wie als Zeichen der Wertschätzung: „Unserer Freundschaft ist mir teuer.“ Also bäckt man fluffige Süßkartoffeltäschchen, Rabanadas, Schmalzkringel, kocht süßen Reis und Fadennudeln, und bastelt Süßmarzipanfigürchen. Zu all den Leckereien dürfen Liköre nicht fehlen. Neben dem Kräuterlikör Beirão steht natürlich Portwein bereit, aus edel geformter Flasche ausgeschenkt ein 20 Jahre im Fass gereifter Tawny von der Quinta de la Rosa. Aus der Algarve gibt es außerdem einen Schluck Medronho, das ist ein Baumerdbeerschnaps, der im Magen Klarschiff macht. 

An Heiligabend am Nachmittag trudelt die Familie allmählich ein. Es gibt keine verabredete Uhrzeit. Alle kommen, wann sie kommen. Kein Esszimmer ist zu klein, überall passt immer noch ein Stuhl hinein. Es ist eng, es ist warm, alle sind glücklich sich zu sehen. Die Kinder spielen, die Erwachsenen reden, lachen, trinken Wein, stippen Brot in Olivenöl, naschen Oliven und Käse mit Quittenmarmelade dazu.

Nach dem Mahl brechen sie auf zur Hahnenschrei-Messe, kommen gegen ein Uhr früh zurück und essen und trinken und reden weiter, bis niemand mehr auch nur einen Krümel schafft. Erst dann begibt man sich zur Ruhe. Die Festtafel bleibt wie verlassen stehen, denn in der stillen Nacht rücken Glaube und Aberglaube so nahe zueinander, dass im Andenken an die Toten alles unberührt auf dem Tisch bleibt.

Am nächsten Morgen kommt ein Truthahn oder Lammkeule in den Ofen. Davor gibt es reichlich Schaltiere und von allen Sorten, die in Portugal heimisch sind. Portugiesen lieben es nämlich mit den Fingern zu essen und so türmen sich alsbald leere Muschelschalen und Schalen ausgepuhlter Gambas auf. Gedünstete Venusmuscheln, Gambas, Carabinieri, Lagunenherzmuscheln, Sägezähnchen, Taschenkrebs, außerdem Unmengen rohe Austern befüllen auf Platten den Tisch und werden bis zum letzten Muschelkern verputzt. Grüner Wein aus dem Minho aus der Traube »Alvarinho« aus dem Hause Soalheiro gehört dazu - und Buttertoast. Stunden später ist der Festtagsbraten fertig. Man tauscht Teller und Besteck und isst weiter und weiter bis es dunkel wird und die Kerzen leuchten. Erst dann nimmt die Familie Abschied. Einen zweiten Weihnachtstag feiert Portugal nicht. Denn die Arbeit ruft, der Alltag kehrt zurück und alle freuen sich schon auf das nächste Fest: Sylvester. 

Vorschau auf den nächsten Artikel:

Königskuchen zum neuen Jahr hat ein Bäcker eigens erfunden, erzählt eine Legende, weil die Heiligen Drei Könige Melchior, Kaspar und Balthasar sich nicht einigen konnten, wer von ihnen dem Christkind als erster die Ehre erweisen und seine Geschenke übergeben darf. Ein Hefeteigkranz mit kandierten Früchten Nüssen und eine Überraschung krönt den letzten Tag des Jahres, und darf in der Neujahrsnacht genauso wenig fehlen wie Kohlsuppe, Rosinen - und Schaumwein… » (erscheint am 31. Dezember 2023)

Ein weißer Teller mit Bacalhau und Süßkartoffeln

Mein Tipp zum Heiligabend-Menü auf Portugiesisch zum Nachkochen:

»Tiborna« mit Käse mit Quittenmarmelade & Salzmandeln

  • In einen Suppenteller füllst du Olivenöl, am besten das kaltgepresste Premium-Virgem-Olivenöl von der Quinta de la Rosa, und falls ihr mögt, schnippelst du Knoblauch hinein, würzt mit Salzblüte und Oregano.
  • Sauerteigbrot in mundgerechte Stücke brechen
  • Ziegenfrischkäse in Halbmonde schneiden, auf eine Platte zu einem Stern auslegen und mit Quittengelee beträufeln.
  • Rohe Mandeln in der Pfanne rösten und mit Salzblüte bestreuen
  • Die Mandeln nascht man zum Käse.
  • Als Aperitif empfehle ich einen Kelch gut gekühlten weißen Portwein von der Quinta de la Rosa.

 

» Bacalhau im Ofen im Zwiebel-Kräutersud mit Süßkartoffelpüree und Broccoli

  • Beim Fischhändler bestellst du pro Gast ein etwas 250 g schweres Stück Kabeljaufilet ohne Haut. ODER: Du bist neugierig auf Bacalhau, dann gehst du zum portugiesischen Feinkosthändler und lässt dir Filetstücke zuschneiden.
  • Zwei Tage vor Heiligabend wässerst du die Bacalhau-Filets und wechselst drei bis fünfmal alle paar Stunden das Wasser, bis der Bacalhau wieder weich ist, die Fasern sich zupfen lassen und dennoch nach Salz schmecken. Bis zur Zubereitung lässt du die gewässerten Filets im Kühlschrank abtropfen.
  • MERKE! Wählst du Bacalhau, brauchst du zur Zubereitung des Fischs KEIN Salz mehr.
  • Wählst du frischen Kabeljau, bitte ebenso im Kühlschrank auf einem Sieb in eine Schüssel gebettet abtropfen lassen.
  • Pro Gast ein Ei hartkochen, pellen, halbieren, und beiseitestellen.
  • Bunte Kirschtomaten waschen, in Scheibchen schneiden, mit Salz, Honig und Balsamico marinieren.
  • 2-3 Zwiebeln in feine Halbmonde schneiden
  • 4 Knoblauchzehen fein würfeln
  • 1 kleines Bund glatte Petersilie waschen und fein wiegen
  • Olivenöl, Kochwein, Salz, Pfeffer, Muskat, Sahne
  • Pro Kopf eine mittelgroße Süßkartoffel. Bitte auf die Qualität achten und europäische Ware wählen, die Schale außen ist dunkelrot, innen lila, und der Kartoffelkern orange.
  • 2 Rosen frischer Broccoli mit Strunk. Den Fuß einen Zentimeter kürzen, die Rosen ganz lassen, waschen, abtropfen lassen.

Zubereitung

  • In einer Pfanne mit hohem Rand dünstest du Zwiebel und Knoblauch in reichlich Olivenöl glasig, würzt mit Pfeffer. Lorbeerblatt und einer Prise Paprikasüß, mit etwas Muskat und nach Gusto mit Salz (Bei Bacalhau das Salz weglassen)
  • Den Sud gießt du mit einer Kaffeetasse Weißwein auf und lässt ihn reduzieren.
  • Die Fischfilets bettest du in eine feuerfeste Form, salzt sie, und verteilst den Zwiebelsud darüber. Im vorgeheizten Ofen auf 220°C mit Umluft garen die Filets in 15-20 Minuten gar.
  • Währenddessen kochst du die Süßkartoffeln mit Schale und salzt das Kochwasser kräftig.
  • In einem zweiten Topf blanchierst du in Salzwasser den Broccoli gar.
  • Die marinierten Kirschtomaten schwenkst du in einer Pfanne mit Olivenöl.
  • Die gekochten Süßkartoffeln pellst du und zerdrückst sie mit einem Schuss Sahne, bis ein fester Püree entsteht, würzt mit Muskat und mischst die Hälfte Petersilie unter. Den Püree warm stellen.
  • Den Broccoli schneidest du vom Fuß zur Krone in feine Stängel und legst die nebeneinander auf eine Platte, warm stellen.
  • Teller vorwärmen.
  • Eine Suppentasse mit Öl auspinseln.
  • In die Suppentasse füllst du Püree, streichst in glatt und stürzt jeweils eine Portion in die Mitte auf einen Teller.
  • Darauf bettest du gleichviele Broccoli Stängel.
  • Darauf kommt das Fischfilet/Bacalhau
  • Den Zwiebelsud verteilst du auf dem Fisch.
  • Die Ei-Hälften drapierst du daneben.
  • Die Kirschtomaten drumherum kunterbunt anlegen.
  • Mit Petersilie bestreuen.

Bacalhau will Rotwein: Leicht gekühlt passt der »Paço do Conde Reserva 2018« von Herdade Paço do Conde oder der 2018 Quinta de Saes Tinto aus dem Dão ganz hervorragend dazu.

 Bild mit weißem Teller in weihnachtlicher Deko. Auf dem Teller folgendes Gericht: Rabanadas mit heißen Waldfrüchten und Creme-Fraîche

» Rabanadas mit heißen Waldfrüchten und Creme-Fraîche

  • Dicke Brotscheiben vom Vortag-Brot
  • Lauwarme Milch
  • Vier Eier schlagen
  • Sonnenblumenöl
  • Zucker und Zimt
  • Waldfrüchte TK, auftauen lassen, zum Kochen bringen, mit Zucker, Nelke, Anis, Vanillin und Orangenschale abschmecken und mit einem Päckchen Gelatinepulver einköcheln lassen
  • 1 x 250 ml Creme Fraîche bereitstellen.
  • Die Brotscheiben in Milch einlegen, bis sie sich vollsaugen
  • Mit zwei Gabeln jede Scheibe nach und nach in Ei wenden und vorsichtig in heißes Öl geben, bis das Ei eine leichte Kruste bildet.
  • Die gerösteten Brotscheiben auf Küchenkrepp abtropfen lassen, und einzeln in einer Zucker-Zimtmischung wälzen.
  • Auf jeden Teller je eine Scheibe (oder zwei) anrichten, mit Waldfrüchten übergießen und je einen Klecks kalte Creme Fraîche aufsetzen. Mit braunem Zucker bestreuen, wer mag verziert das Dessert noch mit Fruchtsauce-Tropfen. Fertig.
  • Rabanadas mit Portwein ist ein Hochgenuss, am besten ein 20-Jahre im Fass gereifter »Tawny«, dessen herb feine Süße alle Aromen des Desserts von Zimt bis Nelke akzentuiert.

Feliz Natal – Gesegnete Weihnachten! 

Foto mit Weihnachtsplätzchen und Nüssen und dem Schriftzug Feliz Natal.

(Fotos: Catrin Ponciano, Quinta de la Rosa, Canva)

Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?

Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com


Älterer Post Neuerer Post

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen