Der Intercity rollt gemächlich landeinwärts. Das sanfte Rattern der Räder entspannt. Der Blick aus dem Fenster noch mehr. Weinreben, Olivenhaine und Korkeichen wechseln sich ab mit Kieferwäldern. Hinter der Station »Vendas Novas« öffnet sich die Landschaft. Ortschaften verschwinden. Rinder, Schafe, Ziegen, wandern mümmelnd durch das Bild. Mitten durch den Alentejo rollst du. Die Endstation heißt Évora. Von dem einst stets belebten Bahnhof ist nur noch die prächtige Fliesengalerie an der Fassade übriggeblieben. Historische Ereignisse, Monumente, und Brauchtum in blau weiß glasiert, zieren den Bahnsteig und erinnern an früher, als der Zug für Viele das einstige Transportmittel gewesen ist. Heute besitzt man ein Auto, aber der Zug konserviert ein Stück Nostalgie. Mit dem Taxi kommst du ins Stadtzentrum zum »Praça de Giraldo«.
Umstellt von Bürgerhäusern mit Arkaden, unter denen schicke Boutiquen im historischen Gewand zum Bummeln und Shoppen locken, ist der zentrale Platz bekränzt vom Palast der Nationalbank und von der Pfarrkirche »Santo Antão«. Ein Cappuccino »Galão«, mit einem Klostertörtchen aus süßem Marzipan »Pão de Rala« schmeckt auf den Esplanaden besonders gut, bevor du die »Rua de 5 Outubro« entlang schlenderst. Rechts und links prangen Handwerkskunst in Auslagen und an Wänden. Kunterbunte dekorative Keramik, aparte Korktaschen, von Hand bemalte Azulejo-Fliesen, Aquarelle, Weltkulturerbe-Kuhglocken »Chocalho«, Hüte, Hirtenmützen, flauschige Decken und Pullover aus purer Schafswolle. Kostbare Einzelstücke kannst du hier entdecken, allein das Schauen ist ein Erlebnis. Die Weinboutique »Ervideira« lockt mit feinen Tropfen zu einer Verweile Pause ein. Mein Favorit ist ein Weißwein namens Unsichtbar »Invísivel«, mit Grünreflexen, herber Limettennote, im Abgang mit Aromen nach Moos und Wurzelholz, ein Wein, der mechanisch aus nächtlich geernteten roten Aragonez Trauben gekeltert wird.
Die Kathedrale »Sé de Évora« erhebt sich gen Himmel. Ihre zwei imposanten Glockentürme ragen über achtzig Meter in die Höhe. Hinein in den Dom führt eine Freitreppe durch ein gotisch-romanisches Spitzbogenportal, gesäumt von den zwölf Aposteln. Das Kirchenschiff misst 85 Meter und endet in einem Renaissance-Altar aus Marmor. Er stammt aus dem 18. Jahrhundert, und wurde erst nach dem Sieg über Napoleons Truppen neu an den gotischen Teil der Kathedrale angebaut, nachdem dessen Truppen einen Teil Évoras samt Kirche auf ihrem Vormarsch Richtung Lissabon in Schutt und Asche gelegt haben. Ein barock geschnitzter und prunkvoll mit Goldschaum belegter Seitenaltar mitten zwischen den Gebetsbänken zeigt die Heilige Maria in guter Hoffnung. Es heißt, dass seit vielen hunderten Jahren bereits eine eigens installierte Glocke die Geburt neuen Lebens in Évora läutend ankündigt - und heute übrigens immer noch. Über eine Wendeltreppe erreicht man das Dach der Domkirche und schaut in den Kreuzgang sowie im 360°-Grad-Panorama ganz Évora aufs Dach. Nebenan liegt ein Luxus-Boutique-Hotel im ehemaligen Kloster, die Städtische Bibliothek und die Altstadt. Auf dem Platz gen Nordosten steht die römische Tempelruine, die an Évoras Bedeutung als Marktplatz und Verkehrsknotenpunkt an der früheren »Via Romana« zwischen Olissipo, Lissabon, und Hispania, Sevilla, erinnert. Im Museum für moderne Kunst mit anliegender Weinboutique »Cartuxa« tagte früher das Heilige Offizium. Die Inquisitoren entschieden darüber, wer exkommuniziert wurde oder nach peinvoller Tortur auf den Scheiterhaufen verbrannt. Im Osten steht die Jesuitenkirche »Espírito Santo« neben der Universität von Évora.
Gen Westen erkennst du ein Aquädukt aus der Stadt hinauslaufen, die allmählich in die Höhe wachsenden Arkadenbögen sind von Zypressen gesäumt. Dort verbirgt sich ein mystisch spiritueller Ort mit dem zauberhaften Namen »Scala Coeli« – Himmelsleiter. Am besten spazierst du zum Rathausplatz und von dort durch die »Rua de Aviz« zur »Rua do Cano« und folgst der nach römischem Vorbild erbauten Wasserstraße »Água de Prata« vom Hauptbrunnen aus bis zur Stadtmauer, die die Stadt nach wie vor meterhoch und meterdick in Gänze umschließt. Durch das Stadttor »Porta Velha de Lagoa« gelangst du nach einem zehnminütigen Fußmarsch am Aquädukt entlang zu einer Abzweigung nach rechts. Das einzige Karthäuser-Kloster Portugals, dass noch bis 2011 von den Eremiten-Mönchen bewohnt gewesen ist, empfängt dich am Eingang zur Klosterkirche, die, nur nebenbei bemerkt, während der Diktatur als Getreidesilo gedient hat. Hinter Klostermauern verbirgt sich Portugals größter Kreuzgang. 100 x 100 Meter misst das Quadrat. Von den Gängen führen niedrige Türen zu den Zellen der Mönche. Unter ihrer Obhut gedieh Messwein, und zwar so gut, dass sich sogar ein Club Weinliebhaber um den Wein schart, dessen Trauben im Spiegellicht glänzender Steine gedeihen. Die Rede ist von »Pêra-Manca«, dem Wein für Helden, den sogar schon der Brasilienentdecker und Navigator Alvares Cabral auf seiner Expedition 1500 Richtung Amazonas an Bord getrunken hat. Ein Tannin reicher Roter, der im Mund sein ganzes Spektrum nach dunklen Beeren erst nach und nach entfaltet und mit einem Schnalzer am Gaumen abrollt. Seine Reben Aragonez und Trincadeira wurzeln wie eh und je zwischen Granitgestein. Die »Cartuxa« Mystik im »Pêra-Manca« lebt fort und hat längst die Himmelsleiter zu den besten Tropfen erklommen.
Das Kloster mit Orden »Scala Coeli« ist mittlerweile geschlossen, aber in eine Stiftung, integriert, die den Wein der »Helden« sowie das Andenken an die Karthäuser in ihrem Markennamen »Cartuxa« aufrecht halten - und die Himmelsleiter für Besucher öffnen. Spazierengehen, Wein verkosten, Klöster und Kirchen besichtigen, regt den Appetit an. Am besten probierst du eine Speise aus Évoras Gastronomie, die sogenannte Brotspeise »Açorda Alentejana«.
Vorschau auf den nächsten Artikel:
Vom Erbe der Familie geprägt: Eine Weinreise von Évora nach Estremoz zum historischen Weingut HERDADE DAS SERVAS
Erlebe mit uns eine kulinarische Reise durch Portugals malerische Alentejo-Region. Im nächsten Blogartikel nehme ich dich mit auf einen Ausflug von Évora nach Estremoz, wo ich das renommierte Weingut HERDADE DAS SERVAS besuchen werde. Erfahre mehr über die faszinierende Geschichte und die Weinbereitungsprozesse dieses beeindruckenden Weinguts. Komm mit uns auf eine Reise voller Aromen und Gaumenfreuden.… » (erscheint am 15. Mai 2023)
REZEPT
Açorda Alentejana
Açorda Alentejana ist eine traditionelle portugiesische Suppe oder Eintopfgericht aus der Region Alentejo. Es besteht hauptsächlich aus Brot, Knoblauch, Olivenöl und Koriander und wird oft mit Eiern und Fisch oder Meeresfrüchten serviert. Manchmal wird auch Hühnchen oder Fleisch hinzugefügt. Es ist ein einfaches, aber nahrhaftes Gericht, das oft als Hauptmahlzeit serviert wird.
Zutaten für 4 Portionen:
- ein Weizenbrot mit Kruste von gestern oder vorgestern und schneidest es in Halbmondscheiben
- 4 Knoblauchzehen, gewürfelt
- 1 Bündchen frischer Koriander und 1 Bündchen glatte Petersilie fein gehackt
- Olivenöl, Salz, Pfefferminze/Bachminze nach Gusto wenige oder mehr Blättchen in Streifen geschnitten
- 2 Schalotten fein gewürfelt
- 100 ml Weißwein
- 4 Eier
- ¾ L Wasser
Zubereitung:
In einer Pfanne mit hohem Rand dünstest du die Zwiebelwürfel mit dem Knoblauch in fingerdick Olivenöl an und salzt kräftig. Mit Weißwein ablöschen.
Nach und nach streust du die Kräuter ein und drosselst die Hitze. In dem Wein-Sud ziehst du die verlorenen Eier gar. Jedes der 4 rohen Ei jeweils in eine vorher mit kaltem Wasser ausgespülte Kelle geben, und von der Kelle in den simmernden Sud gleiten lassen. Nach 2-3 Minuten kannst du die pochierten Eier mit einem Schaumlöffel herausheben und beiseitestellen.
Den Sud aufkochen lassen, nach und nach Wasser dazugeben und ein paar Minuten sieden lassen, damit die Aromen der Kräuter die Brühe würzen. In vorgewärmte tiefe Teller Brotscheiben gleichmäßig verteilen, mit Olivenöl beträufeln, mit Meersalzkrümeln bestreuen und mit Brühe tränken, bis das Brot sie wie ein Schwamm aufsaugt. Je ein Ei einsetzen, fertig.
»Bom appetit«
Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?
Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com