Auf ein Glas Göttersaft im Herzogtum Palmela

Auf ein Glas Göttersaft im Herzogtum Palmela

Der schönste Platz für ein Glas Wein aus dem Weinanbaugebiet D.O. Palmela ist die Kapelle der Erinnerung. Sie steht auf dem »Kap Espichel« auf der Halbinsel von Setúbal auf der höchsten Klippe Europas am Westend der Serra Arrábida. Am anderen Ende der Kordilleren thront die Burg »Castelo de Palmela«. Dazwischen liegt das Herzogtum Palmela und die Bucht von Setúbal ausgebreitet. Auf dem herzoglichen Landgut wird nach wie vor Wein gekeltert – allerdings nur für die Gäste des Herzogs.

Das Landgut »Casa de Calhariz« liegt mitten im Naturpark »Serra da Arrábida« an der Rückseite der Kordilleren. Wie eine Welle fließt das Gelände mit Wäldern, Feldern und Weingärten dem Felsmassiv entgegen. Dahinter stürzt die Klippe über 300 Meter tief ins Meer. In der einstigen Kapelle der aristokratischen Familie, deren Ur-Vorfahr an der Seite des ersten König D. Afonso Henrique von Portugal, die maurische Festung »Al-Lixbûnâ« im heutigen Lissabon anno 1147 erstürmt und eingenommen hat, ist ein Museum untergebracht, wo die über achthundert Jahre zählende Familiengeschichte fortlebt. Im französisch inspirierten Park steht eine Originalnachbildung des italienischen Trevi-Brunnen und hinter dem Buchsbaum-Labyrinth schmiegt sich der Weingarten an das Renaissance-Landschlösschen, wo sogar Königin Elisabeth zu Gast gewesen ist. 

Ein herzogliches Kleinod auf Großgrund. Als Gast auf dem Gut, kannst du die herrschaftliche Abgeschiedenheit im Naturpark in vollen Zügen genießen, im Infinity-Pool mit Aussicht auf Weinberge und Gebirge den Morgen beginnen, durch Weinberge und Korkeichenwälder stromern, oder spannende Ausflüge zu Weingütern und sehenswerte Orte in die Umgebung unternehmen. Die N-379 bringt dich in östlicher Richtung nach Azeitão. Eigentlich ist Azeitão nicht bloß ein Ort, er besteht aus neun Dörfern, die nach und nach zu einem Mosaik mit enorm viel Lokalkolorit zusammengewachsen sind und wo du in jedem einzelnen Dorfkern mit der Dorfkultur Portugals in Berührung kommst. Und dass, obwohl Azeitão gerade einmal 45 Autominuten von Lissabon entfernt liegt. Berühmt ist Azeitão für seine Fliesenfabrik zur traditionellen Produktion von Handbemalten »Leiveira-Azulejos«, sowie für den cremig-buttrigen Rohmilchkäse aus Schafsmilch, den man in jeder Café-Bar mit Brot zum Glas »Moscatel« Wein bestellen kann. 

Die Trauben für den Göttertrunk, den in der Antike Pharaonen genippt haben, wachsen und gedeihen im Herzogtum Palmela flächendeckend. Vor etwa 3000 Jahren haben Phönizische Seefahrer »Moscatel« Rebstöcke aus Alexandria mitgebracht und in der Ebene von Setúbal ihren eigenen Wein gekeltert, während sie im Mündungsgebiet des Sado und Tejo Salz geschürft und Fischleber zu Pasteten verarbeitet sowie Amphoren produziert haben. So fand die kleine kugelrunde gelbschimmernde »Moscatel-Weinbeere« und die seltenere rotlilafarbene »Moscatel roxo« neue Heimaterde. 

Der als Aperitif oder zum Dessert goutierte Likörwein vereint sämtliche Aromen aus Orient und Okzident. Süß und würzig schmiegt er sich an den Gaumen und kitzelt an den Geschmacksnerven. Nuancen von Aprikose, Feige, Nelke, Mispel, Pflaume, Brombeere rollen auf der Zunge hin und her, die mit zunehmender Reife erst im Fass und danach in der Flasche immer intensiver ausfallen. 

»Portugiesische Winzer aus Palmela zaubern Sonne und Meer in die Flasche« begeistert sich die die Fachwelt. »Moscatel» vereint Portugals Weinvielfalt und Aromen Diversität geschmacklich in einem einzigen Schluck, schwärmen Weinkenner.

Zauberei ist das keine, oder… vielleicht ein bisschen. Die Weinregion zwischen Tejo und Sado besteht aus dreizehn Gemeindebezirken im Distrikt Setúbal mit 9500 Hektar Weinanbaufläche. Davon belegt »Moscatel« etwa 65 % Prozent. Das geografisch indizierte Gebiet »I.G. Peninsula de Setúbal« definiert sich in fünf Anbaugebiete mit Herkunftssiegel »D.O.«: Palmela, Montijo, Setúbal, Grândola, und Alcácer do Sal. 

Ein Blick auf die Landkarte verrät dir, wie die Magie für das überraschend vielfältige Bouquet des »Moscatel« in die Flasche kommt: Die geologische Struktur zwischen Tejo und Sado vereinigt alle Bodenbeschaffenheiten Portugals. Während Alcácer do Sal am Sado ausgebreitet liegt, der Boden Sandkalkhaltig und stark salzhaltig ist, wachsen in Palmela die Reben auf Kalkstein, Breche-Marmor und Granit. Rund um Setúbal glänzt die Erde hingegen irden rot, am Südufer des Tejo dunkel, und in Grândola Richtung Meer Sand hell. Im Gebirge Arrábida herrscht mediterrane »Macchie-Fauna«, in der Ebene am Sado wächst neben Wein, Kilometerweit, Reis. In Grândola teilen sich Wein mit Korkeichen und Schirmpinien die Hochebene. Allen gemeinsam ist die fühlbare und sichtbare Nähe zum Ozean. Meersalzhaltige Luft, die Gezeiten, und Wind sorgen für mineralstoffreiche Böden. Sonnenschein wechselt sich mit erfrischendem Nacht-Tau ab und regelt den Feuchtigkeitsbedarf der Weinpflanzen. Wein aus Setúbal kann demnach nur nach Sonne und Meer schmecken.

Weltberühmt für »Moscatel« ist die Marke »Bacalhoa«. Das Gut liegt in Azeitão und lädt neben der Möglichkeit zur Weinverkostung außerdem ein in den hauseigenen Kunst- und Skulpturenpark. Gegenüber wachsen »Moscatel« und andere Rebsorten für Wein der Marke José Maria da Fonseca. Der Wein der Pharaonen ist mit dem Herkunftssiegel »DOC Moscatel de Setúbal« gekennzeichnet und gesiegelt. Es gibt drei Kategorien, die etwas über die Qualität verraten: »Moscatel superior« ist mindestens fünf Jahre alt. Der »Reserva datado« garantiert den Jahrgang und die Reinheit als Monokaste aus einer Region, ergo einzig aus »Moscatel« Früchten aus der auf dem Etikett demarkierten Region und Weingut gekeltert. »Reserva não datado« ist ein »blend«, eine Cuvée, ein Verschnitt aus verschiedenen Jahrgängen und Trauben unterschiedlicher Herkunft. Je älter der Wein wird, desto dunkler, und steigert mit jedem Schluck die Sehnsucht nach Portugal.

»Fonseca« produziert nicht nur »Moscatel«, sondern auch hervorragende Weine. Anno 1830 brachte ein Vorfahre eine neue Rebsorte mit in das Tal bei Palmela und Azeitão auf das Weingut »Cova da Periquita«. Was so viel heißt wie »Tal der Sittiche«. Gekost vom milden Klima zwischen Tejo und Sado, ernährt mit Mineralstoffen aus dem Kalksteinhaltigen Boden, gestreichelt vom salzhaltigen Wind und umgeben von Wildkräutern, Obstbäumen, Oliven und Korkeichen, gedieh der Rote, aus einer Kreuzung der spanischen Cayetana Blanca aus Jaen, und Afrocheiro Preto aus der Dão Region Portugals, prächtig. Die Kreuzung bringt bis heute einen hervorragend mundenden Rotwein hervor, den »Periquita«. Zu Deutsch »Sittich«. Bei geselligen Zusammenkünften heißt es, sorgt besonders dieser Wein für Fröhlichkeit. Der Spitzname, geboren in weinseliger Singlaune, führte 1834 zu einem eigenem Label. Damit jedoch beim Einkaufen keine Verwechslungen mit Label und Rebsorte passieren können, wird die Sorte auf dem Etikett mit »Castelão« bestimmt, denn nur wo »Periquita« draufsteht ist auch »Sittichwein» drin.

Der Tag in der Weinlandschaft Palmela klingt erfüllt aus, aber etwas fehlt noch. Ein Glas mit dem Herzog, ein kräftiger Syrah, der tränenreich am Glasrand abrollt, beleben deinen persönlichen Rückblick des Tages ein zweites Mal. Am besten mit Käsehäppchen zum Sonnenuntergang am »Kap Espichel« genossen, wo Portugals ältester Leuchtturm thront, daneben auf dem Hochplateau die Kapelle der Erinnerung mit der Klosterruine Santa Maria stehen, und der Ausblick auf den Atlantik die Tür zu all deinen insgeheimen Träumen öffnet.

Tipp: Eine Übersicht der Weingüter in der »D.O. Palmela« findest du auf der Homepage der Erzeugergemeinschaft »Peninsula de Setúbal«. Mit einem Klick auf das Logo kommst du zur jeweiligen Hauptseite des Erzeugers.  

Vorschau auf den nächsten Artikel:

Die Weinmutter »Terras do Sado«
Seit über hundert Jahren ist das Traditionsunternehmen Ermelinda Freitas eine weibliche Domäne, die ihre Chronik zur Marke »Dona Ermelinda« erhoben hat. Bei einem Besuch auf dem Weingut wandelst du auf dem Pfad der Weinmutter bis in den pädagogischen Weingarten... » (erscheint am 15. April 2023)

REZEPT
Xerém mit Muscheln und Schrimps

Foodfoto, Rezeptbild für ein Rezept zum Blogartikel der Vinho Bar. Rezept: Xerém mit Muscheln Moscatel ist ein Likörwein aus dem Orient, passend dazu gibt es »Xerém« die maghrebinische Variante einer Polenta. Rezept von Catrin George Ponciano.
Zutaten für 4 Portionen:
  • 400 g grobes Maismehl
  • 600 g Muschelkerne TK, gerne gemischt Vongole, Herzmuscheln und Miesmuscheln, wer mag, mischt eine Handvoll Schrimps dazu.
  • 4 Schalottenzwiebeln
  • Knoblauch nach Gusto
  • 1 Bund frischer Koriander
  • Saft von 2 Zitronen, Abrieb von 1 Zitrone
  • Olivenöl, Salz, Prise Cayennepfeffer
  • 1 Tasse Wasser und 1 Tasse Weißwein.
Zubereitung:
  • Die Muschelkerne (und Shrimps) im Kühlschrank auftauen lassen, Flüssigkeit abgießen, einmal kalt abspülen.
  • Schalotten und Knoblauch schälen und fein würfeln.
  • Koriander grob schneiden, noch besser die Blättchen einzeln vom Stängel zupfen. (Wird Koriander zu fein geschnitten, schmeckt es gerne seifig).
  • Die Schale von 1 Zitrone fein reiben, danach beide Zitronen auspressen.
  • In einer Pfanne mit hohem Rand Olivenöl langsam erhitzen und darin die Schalotten mit Knoblauch glasig dünsten.
  • Muschelkerne dazugeben und auf niedriger Temperatur 2-3 Minuten köcheln, danach mit Zitronensaft löschen und einmal aufkochen lassen.
  • Abschmecken mit Salz und Cayennepfeffer, der Sud darf gerne etwas übersäuert/ übersalzen schmecken.
  • Das grobe Maismehl langsam einstreuen und gleichzeitig rühren und quellen lassen, erst den Weißwein dazugeben, rühren, gegebenenfalls Wasser, bis ein zähflüssig dicker Brei entsteht.
  • Nachschmecken, ob Salz reicht.
  • Vom Herd nehmen, mit etwas Koriander garnieren, Deckel aufsetzen, oder in eine vorgewärmte Terrine umschütten, abdecken, und weitere 3 Minuten ziehen lassen.
Serviervorschlag: Ein Salat aus Cocktailtomaten mit karamellisierten Schalotten und Rucola passen wunderbar dazu.

    »Bom appetit«
     
    Wein-Empfehlung aus der Vinho Bar: Dona Ermelinda Reserva.
    Gekeltert zu 70% Anteil mit Trauben aus altem Rebstock Bestand »vinha-velha Castelão« 


    Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?

    Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com


    Älterer Post Neuerer Post

    Hinterlasse einen Kommentar

    Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen