Alles in Pinhão dreht sich um Wein und Portwein und deswegen gilt der Flusshafen als das sogenannte Herz der Portweinregion schlechthin. Der portugiesische Dichter Miguel Torga äußerte sich darüber halb amüsiert, halb ironisch in seinem Buch Die Weinlese etwa so: »Das ist also das feudalistisch gerühmte Pinhão, ein urbanes Flickwerk aus einem Dutzend Bauernkaten, einem Bahnhof, dessen Fliesenbilder die Misere der Region großartig glasiert bebildern, und einer Vielzahl sogenannter Kellereien in Höhlen in den Felsen geschlagen. Wunderbar kosmisch kosmopolitisches Pinhão.«
Die Eisenbahn aus Porto kam 1880 in Pinhão an. Endlich, mögen etliche Portweinwinzer gedacht haben, denn bis dato musste jedes Fass Portwein mit dem Rabelo-Boot Douro abwärts transportiert werden. Mit der Ankunft des Dampfzuges verlagerte sich der Personenverkehr und der Transport von Handelswaren vom Wasser auf die Schiene.
Bald darauf bekam Pinhão eine Telefonleitung und wurde als erster Ort im Tal des Douro an das elektrische Stromnetz angeschlossen. Über den Fluss wurde eine von Eiffel entworfene Autobrücke gebaut und die Nationalstraße 222, heute zu einer der schönsten der Welt gekürt, und verbindet Pinhão mit Peso da Régua direkt am Ufer des Douro entlang.
In Pinhão trafen sich Weinbergarbeiter, Tagelöhner, Reisende, Künstler, Portweindynasten – und solche, die es werden wollten. Sie alle wurden (und werden) von eben jenem von Torga beschriebenen Fliesengalerie am Bahnhof begrüßt: Eine einzigartige Serie polychromer von Hand bemalter und blauweiß glasierter Azulejo-Paneele schmücken die Fassade des Gebäudes mit Landschaftsszenen aus der Weinlese und aus dem Alltag der Menschen im Weinberg. Die Galerie hält das lokale Kulturerbe des Weinanbaus bildhaft aufrecht, das die Region von jeher zu einhundert Prozent bestimmt.
Pinhão ist mittlerweile ein florierender Marktplatz für Wein und Portwein und ein Anziehungspunkt für Tourismus und Wandergruppen. Der Ort besitzt einen Flusshafen mit Hafenpromenade und einen Strand. Entlang der Hauptstraße bieten Geschäfte Gebrauchsartikel oder Kitsch an, einige Lokale servieren bodenständige Küche und das »Café Império« Flair aus über 100 Jahren Lokalgeschichte. Dort an der Theke erfährt der Gast Geschichten – so wie die über das am Ortsrand direkt an der Bahnlinie gelegene Weingut »Quinta de la Rosa«, das Taufgeschenk an Claire, eine Nachfahrin des Gründers der Firma »Feueheerd« aus Hamburg.
Dietrich Feueheerd legte mit seiner Ankunft im Tal des Douro 1815 den Grundstein für ein Unternehmen, das sich zuerst dem Handel von Erzmetall und später dem Export von Portwein widmete. Direkt neben dem Wohnhaus der Familie entstanden aufgrund steigender Nachfrage nach Portwein nach und nach acht Weinpressen aus Granit, und für damalige Verhältnisse das größte Fasslager der Region. Als 1910 die Monarchie in Portugal stürzte, sah die Familie eine solide Chance zur Expansion und erwarb die »Quinta Amarela« nebenan.
Kurz darauf begann die Arbeit am Weinberg »Vale do Inferno«: der neue Weinberg wurde mittels hoher Mauern terrassiert und nicht wie sonst üblich mit zu Steinen aufgeschichteten Abstufungen. Dadurch erreichte man ebene Laufebenen, sogenannte »patamar« zwischen den Reben, damals noch eine absolute Novität. Der Spitzname »Teufelstal« hat er dem überaus steilen Gefälle zu verdanken und deswegen blieb er auch der einzige seiner Art in der gesamten Region. Hundert Jahre später wurde er samt seiner hundertjährigen autochthonen Reben in den önotouristischen Rundgang über die Quinta integriert. Schwindelfrei solltest du allerdings sein, denn zwischen den Terrassen liegen mehrere Meter, und dich für einen anstrengenden Aufstieg wappnen, den man während der Weinlese täglich mehrmals und mit vollbepackter Kiepe auf dem Rücken meistern muss.
Die weltweite Sukzession 1930 traf die Familie hart. Sie musste Schulden machen, den Portwein beleihen. Nachdem das Familienoberhaupt starb, wurde das Exportunternehmen verkauft. Nur die »Quinta de la Rosa« blieb im Besitz der Familie – mit Witwe Claire als Besitzerin. Die Trauben verkaufte Claire ab sofort an Großprodukteure, die eigene Produktion wurde eingestellt. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lernte Claire den Munitionsfabrikanten Eric Bergqvist aus Glasgow kennen. Sie heirateten und zogen um nach Schottland, doch 1947 kehrte Claire, mittlerweile geschieden, zurück in das Tal des Douro und lebte von da an permanent auf der Quinta. Die nächste Rezession saß Claire allein aus. Es haperte an Geld, zur Instandhaltung fehlten ihr die Mittel. Dennoch baute Claire weiter Trauben an und verkaufte sie. Nach ihrem Tod übernahm ihr Sohn Tim die Leitung der Quinta, baute das Weingut peux à peux wieder auf und kelterte zum ersten Mal wieder selbst Wein.
Kurz darauf setzte die Nelkenrevolution am 25. April 1974 zwar der Diktatur in Portugal endlich ein Ende, doch die meisten Unternehmen befürchteten die Rache des Volkes. Vorsichtshalber ließ Tim deswegen das gesamte Familiensilber vergraben und wartete ab was passieren würde. Die nächste Tragödie ließ nicht lange auf sich warten: Das Vorderhaus stürzte auf die Bahnlinie, die Eisenbahngesellschaft verlangte Entschädigung. Tim war verzweifelt und wollte das Anwesen verkaufen — seine Frau hingegen nicht. Eine kluge Entscheidung! Der seit 1988 aus autochthonen Rebsorten im Teufelstal produzierte Portwein der »Quinta de la Rosa« sowie die erstmals neu im Tal des Douro gekelterten Tischweine der Familie, zählen mittlerweile prämiert und global ausgezeichnet zu den besten im »Alto Vinhateiro«.
Erwähnt sei der 6 Monate im Barrique und anschließend 18 Monate in der Flasche gereifte Weißwein »Tim-Grande Reserva«, der mit seinem Rebsorten-Quartett Arinto, Gouveio, Viosinho und Rabigato mit komplexer Eleganz und kühler Note ein perfekter Begleiter zu allen Speisen aus dem Meer sein kann. Unübertroffen begeistert genauso der Rote »Vinha Vale do Inferno« als Monokasten-Wein mit 100 Prozent Touriga-Nacional. Die Trauben werden traditionell im Granitbecken zum Most gestampft und reifen 16 Monate in französischer Eiche. Der Rote aus dem Teufelstal vibriert auf der Zunge, als stehe die Energie des Traubentretens beim Kosten des ersten Schlucks im Mund auf. Das Bouquet entführt in tiefes Nadelholz, auf der Zunge kitzelt Heidelbeere mit Schlehe, fein austariert durch harmonisierendes Tannin. Ein Hochgenuss.
Neben exzellenten Tischweinen glänzt die »Quinta de la Rosa« mit ihren Portweinen. Zehn Jahre im Eichenfass ruht zum Beispiel der »Tonel 12«. Erst dann findet dieser exquisite Tawny den Weg in die Flasche und reiht sich ein zwischen edle 20- und 30-jährigen »Tawnys«, »LBV - Late bottled Vintage«, weißen Portwein und »Ruby«. Die Familie konnte sich und das Silber retten, die »Quinta de la Rosa« zu einem önotouristischen Schmuckstück aufbauen – und allen Krisen zum Trotz an ihrem Anspruch an Qualität weiterhin festhalten. Das schmeckt man bei jedem Schluck.
Vorschau auf den nächsten Artikel:
Das Thema für den nächsten Blog steht noch nicht fest. Also lasst euch überraschen. » (erscheint am 15. Oktober 2023)
REZEPT: »Arroz de Marisco – Reistopf mit Meeresfrüchten«
Zutaten für 4 Personen:
- 1 Fleischtomate, 1 Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 1 rote Paprika
- 1 Bund frischer Koriander, alternativ glatte Petersilie
- 1 Tasse Weißwein
- 400 g Garnelenzöpfe, (bereits geschälte Garnelen TK oder frische Eismeerkrabben)
- 400 g Muschelkerne (Vongole oder Miesmuschel, oder gemischt)
- 8 Tigergarnelen
- 2 Tassen Reis
- Salz, Pfeffer, Süßpaprika, Lorbeer
- 1 Zitrone in Viertel
Vorbereitung:
- Das Gemüse waschen und fein würfeln.
- Den Koriander/Petersilie fein wiegen und beiseitestellen.
- Die Garnelen und die Muscheln im Kühlschrank auftauen lassen
- Die Tigergarnelen auspacken, Kopf und Schwanz stehen lassen, am Rücken aufschneiden, den Darm entfernen und auswaschen.
- Dann gut dosiert mit Salz und Süßpaprika einreiben.
Zubereitung:
- In einem hohen Topf erhitzt du Olivenöl und schwitzt die Gemüsewürfel glasig.
- Du würzt unterwegs mit Salz und Pfeffer, Süßpaprika, und 2 Lorbeerblätter
- Mit Weißwein ablöschen.
- In den entstandenen Sud mischst du die Hälfte der Garnelenzöpfe und die Muscheln und den Reis und rührst so lange um bis alles miteinander vermengt ist, dann gießt du Wasser auf, so dass der Reis schwimmt.
- Du musst die Sauce abschmecken und sicher etwas mit Salz nachwürzen, hin und wieder Wasser auffüllen, so dass der Reis stets mit Flüssigkeit bedeckt ist.
- Nach ziemlich genau 14 Minuten ist der Reis fast gar, du gibst die restlichen Garnelenzöpfe dazu, die ½ der Kräuter, und reduzierst die Temperatur.
- Nochmals mit Salz abschmecken und wiederholt umrühren, damit der Reis nicht am Topfboden kleben bleibt.
- Auf den Reis bettest du die Tigerprawns in hübscher Formation, streust die restlichen Kräuter ein und lässt den Reis im Topf mit Deckel bedeckt fertig garen.
- Die Sauce hat eine homogene Konsistenz und der Reis darf schwimmen.
- Am besten esst ihr aus tiefen Tellern, und wer mag, erfrischt sein Mahl mit etwas Zitronensaft.
Weinempfehlung: Zum Arroz de Gambas passt wunderbar ein Schoppen »Quinta de la Rosa Rotwein 2019« aus der Vinho Bar.
Bom apetite!
(Fotos: Catrin Ponciano, Quinta de la Rosa, Canva)
Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?
Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com