Tradition und Sehnsucht

Historisches Weingut José Maria da Fonseca in Vila Nogueira de Azeitão, Portugal, mit gepflegtem Garten, alten Bäumen und Weinbergen im Hintergrund

Mit Tradition nimmt es Portugal genauso genau wie mit der Sehnsucht. Seit sich jedoch immer mehr Portugiesen nach 0 % Promille-Genuss sehnen, bricht ein portugiesischer Winzer mit der Tradition und keltert alkoholfrei.

Ausgerechnet die in der Kordilleren Serra Arrábida in Vila Nogueira de Azeitão alteingesessene Winzerfamilie José Maria da Fonseca betätigt sich aktuell als Pionier für alkoholfreie Weine. Vor 191 Jahren gegründet, repräsentiert das längst zur Weltmarke avancierte Familienunternehmen sieben Generationen später nach wie vor das damals implantierte Traditionsbewusstsein und den Wunsch zur permanenten Weiterentwicklung seines Gründers, dessen Liebe zum Wein gepaart mit für damalige Zeiten gewagten Strategien der Vermarktung, den Weinanbau und Handel in Portugal nachhaltig revolutioniert hat. Entrepreneur Fonseca machte bereits von sich reden, noch bevor der erste Tropfen Wein überhaupt gekeltert war, als er ehemaliges Ackerland in einer Talsenke gelegen in einen Weingarten verwandeln ließ.

„Vorsprung durch Wissen“ lautete sein Motto, fiel seine Wahl keinesfalls zufällig auf eben diese Lage. In dem Tal herrscht ein ausgewogenes mediterranes Mikroklima, es gibt Wasser, fruchtbare Erde, Mischvegetation und Weideflächen, sogar Sittiche waren dort heimisch, also bestens geeignet für Rebsorten wie Moscatel Galego Branco für den Süßwein Moscatel und Castelão für Tischwein. Sorten, die Sonne, Wärme und kalkhaltiges Terroir benötigen. Im Tal der Sittiche, von ansässigen Landwirten Cova dos Periquitas genannt, baute Fonseca sein Wein-Imperium auf.

Es lag demnach nahe, dem ersten Tischwein den Namen des Tals zu geben: Sittichwein – Periquita, ein Roter, gewonnen aus Castelão-Trauben, der 1850 kreiert bis in die Gegenwart einer der Hauptsäulen des Unternehmens geblieben ist, zudem Portugals überhaupt erster in Flaschen abgefüllter Tischwein. Auch die 1843 gelabelte Marke Moscatel de Setúbal wird weiterhin produziert und beschert Kennern von Süßweinen eine elegante Kollektion diverser Jahrgänge und Reifegrade.

Fünf Mitarbeiter des Familienweinguts José Maria da Fonseca posieren in einem Weinberg. Alle tragen weinrote Poloshirts mit dem Firmenlogo. Sie lächeln in die Kamera, während sie zwischen den Reben stehen.

Der Periquita-Jahrgang 1885 gewann auf der Weltausstellung in Barcelona die Goldmedaille, der Moscatel de Setúbal 1855 auf der Weltausstellung in Paris. Fonsecas innovativer Esprit blieb somit bei Hof nicht unbemerkt. König Dom Pedro V. verlieh dem fortschrittlichen Fonseca 1857 den Verdienstorden Torre e Espada.

Fonsecas Firmenphilosophie „Tradition trifft Know-how trifft Pioniergeist“ legte 1834 den Grundstein für das Unternehmen. Seine Nachfahren führen die Firma im Andenken an seine Philosophie erfolgreich fort. Der Betrieb expandierte. Weinlagen im Dão, in der portugiesischen Estremadura am Atlantik in Colares sowie in Reguengos de Monsaraz im Alentejo wurden dazu gekauft. Während der weltweiten Rezession zwischen 1920 und 1935 konzentrierte sich die Winzerfamilie auf ihren Hauptabnehmer Brasilien. Eine eigens nach Rio de Janeiro gesandte Delegation kümmerte sich vor Ort um die Abwicklung der im Durchschnitt eine Million nach Brasilien exportierten Flaschen und deren Distribution.

Dem progressiven Geist des Gründers nacheifernd, kreierte das Haus Fonseca gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gleich drei neue Markenlabel. 1944 den Roséwein Lancers und 1945 den trockenen Weißwein Branco Seco Especial BSE sowie 1959 die Tischweinmarke Terras Altas. Somit stellte sich das Familienunternehmen auf fünf solide Markenweine, die weltweit bekannt längst auf fünf Kontinenten Absatz finden.

2024 feierte das 2022 mit dem Fair & Green Label zertifizierte Unternehmen sein 190-jähriges Bestehen und zog Bilanz: Die Marke José Maria da Fonseca stand und steht für Innovation plus Traditionsbewusstsein. Somit wunderte es niemanden wirklich, dass Fonseca den ersten alkoholfreien Wein Portugals auf den Markt bringen würde.

Blick in den Weinkeller des Familienweingutes José Maria da Fonseca mit hohen Stapeln von Holzfässern, die in Reihen aufgestellt sind. Der Raum ist abgedunkelt, mit gedämpftem Licht, das die Textur der Fässer und die Steine der Wände beleuchtet.

Natürlich steckt hinter dem neuen Label wiederum Wissen durch Vorsprung: Das begann sogleich bei der Suche nach einem geeigneten Markennamen. Die Wahl fiel auf: 0%riginal, ein Buchstaben-Zahlenpuzzle, das auf Anhieb den Null-Promille-Wein beim Lesen des Etiketts erkennbar macht. Das Null-Prozent-Label ist übrigens als Trilogie „Rot, Weiß, Rosé“ erhältlich und seit Kurzem Teil des Sortiments in der VINHO BAR, wo innovative Trends aus Portugals Weingarten stets in das eigene, am Geist der Zeit orientierte Angebot aufgenommen werden.

Gleich beim Roten magst du dir verwundert die Augen reiben, denn der Null-Promille-Wein ist ein Sortenwein feinster Güte, aus der Rebe Syrah gewonnen. Rubinrot mit feinen Nuancen nach Brombeeren und leichter Pfeffernote rollt der Rote samtig über die Zunge. Auch der Rosé ist ein Sortenwein, aus dunklen Syrah-Trauben kreiert. Ein fruchtig-lachsfarbener, erfrischender, nach Himbeere und Erdbeere duftender, alkoholfreier Sommerwein. Mit dem weißen Null-Promille 0%riginal genießt du übrigens die traditionelle Moscatel Galego Branco Rebsorte, dem genau wie seinen beiden Partnerweinen in Rot und Rosé der Alkohol mechanisch entzogen wurde, aber trotzdem das Aroma erhalten bleibt. Durchscheinend grün genießt du den fein zwischen Zitrusfrüchten und blumigen Noten austarierten Null-Prozent-Wein, und wie auch die anderen beiden sämtliche Sinne erquickenden alkoholfreien Weine auf fünf bis sieben Grad gekühlt.

Chef-Önologe Domingo Soares Franco zeichnet im Prinzip für das gesamte Fonseca-Weinsortiment. Er hat an der renommierten Davis-Universität in Kalifornien studiert und sein dort erlangtes und auf kalifornischen Weingütern vertieftes Wissen in Portugal verfeinert. Die aktuelle Herausforderung für den erfahrenen Önologen war die Kreation der Trilogie 0%riginal. Von der Idee zur Umsetzung waren etliche Schritte notwendig und für die Produktion von alkoholfreiem Wein eine nicht unerhebliche Investition in moderne Technik. Doch welche ist die für Fonseca Ansprüche geeignete?

Drei Weinflaschen der Marke "0%riginal" stehen in einem Weinberg. Es handelt sich um alkoholfreien Rotwein (Syrah), Weißwein (Moscatel Galego Branco) und Rosé (Syrah).

Die Firmenführung hat sich gemeinsam mit ihrem Chef-Önologen Soares Franco für die mechanische Methode SCC Spinning Cone Column (Schleuderkegelkolonne) entschieden. Diese gilt neben der „Umkehrosmose“ und der „Vakuumdestillation“ als Königsdisziplin unter den derzeit technisch möglichen Entalkoholisierungsverfahren. Dieses Hightech-Verfahren wurde in Australien für alkoholfreies Bier entwickelt und passiert kombiniert im Vakuum mit Zentrifugalkraft. In einer vertikalen Kolonne, einem Zylinder ähnelnd, rotieren in mehrere Etagen aufgeteilt kegelförmige Teller, auf denen sich durch Bewegung der Wein als dünner Film verteilt. Von unten steigt durch den Behälter Dampf auf. Der ganze Behälter samt Inhalt wird mechanisch bewegt, eine Art Schleudereffekt entsteht. Die dadurch beabsichtigte Zentrifugalkraft trennt den Wein in seine Hauptbestandteile und flüchtigen Aromastoffe vom Alkohol. Der Alkohol wird extrahiert. Anschließend werden die Aromen mit dem nun auf einen Restalkohol von 0,5 % entalkoholisierten Wein neu verschnitten. Auf diese Weise gibt man dem Wein sein Aroma und sein Bouquet zurück.

Im Vergleich zu anderen Methoden ist die SCC-Methode die aufwendigste und mit Abstand die teuerste. Andererseits gelten die auf diese schonende Weise entalkoholisierten Weine zur Luxusklasse unter den Null-Promille-Produkten. Die Wahl des Verfahrens wundert kaum, schließlich kommt seit 191 Jahren nichts anderes als Luxusklasse im Haus Fonseca in die Flasche und verbindet wieder einmal die Tradition mit der fortwährenden Sehnsucht nach Fortschritt.

PS: Das einstige Anwesen der Familie Fonseca wurde zum Museumshaus umstrukturiert, wo du durch den Fasskeller wandelst, Gerätschaften der ersten Kellerei kennenlernst und sämtliche technischen Fortschritte des Unternehmens von 1834 bis heute. Du kannst das Weingut mit Museumshaus und Weingarten besuchen, Weinproben buchen und auf dem Weingut übernachten. Mitten in der Serra Arrábida bloß einen Katzensprung vom Atlantik entfernt gelegen, bietet die Umgebung dir reichlich Möglichkeiten für Ausflüge und Aktivitäten, von Wandern bis Surfen.

Ein buntes Paella-Gericht in einer großen Pfanne, gefüllt mit verschiedenen Meeresfrüchten wie Garnelen, Langusten, Muscheln und Krebsfleisch, sowie Reis, Paprika und Kräutern.

REZEPT: Paelha mit Hähnchenbrust und Gambas

Auf der iberischen Halbinsel wird Safranreis gekocht, seit Safran mit den Maghrebinern in die hiesige Küche integriert wurde und seither in Portugal auch angepflanzt wird. Die leckere Reispfanne auf Portugiesisch „Paelha“ wird mit einer besonders saugfähigen Sorte Reis namens „Arroz Malandro“ zubereitet - siehe Vinho Bar Feinkostsortiment. Dazu passt hervorragend der sommerlich gekühlte Fonseca 0%riginal – ob Weiß, Rosé oder Rot, ganz ohne Promille und mit vollem Genuss.

Gewürzmischung für den Fonds:

Im Mörser (oder 1-2-3 Küchenmixer) mischst du 1 TL Safran (Pulver oder Fäden) mit ½ TL Kreuzkümmel, ½ TL Paprikapulver süß, 1 Nelke, 1 Prise Zimt, 4 schwarze Pfefferkörner, 1 entkernte Chilischote und streichst die Mischung mit einem EL Olivenöl glatt zur Würzpaste.

Zutaten für 4–6 Personen:

  • 1 kleine portugiesische (oder spanische) Chouriço in dünne Scheibchen geschnitten
  • 2-3 Hähnchenbrust ohne Haut, in feine Streifen geschnitten
  • 8-12 Gambas mit Kopf und Schwanz, lediglich in der Mitte ausgepackt
  • Eine Handvoll tiefgefrorene Mini-Kalmare (ohne Tinte!) oder Pulpos
  • 1 Gemüsezwiebel, 4 Zehen Knoblauch, 1 grüne, 1 rote und 1 gelbe Paprika, alles fein würfeln und mischen
  • Von 1 Bund Frühlingszwiebeln das Grün fein schneiden und beiseite stellen
  • 1 – 1/2 Kaffeetassen Arroz Malandro

Zubereitung:

  • In einer geeignet großen Pfanne mit hohem Rand oder in einer Paelha-Pfanne erhitzt du bodenbedeckt Olivenöl und schmorst als Erstes das Zwiebel-Paprika-Knoblauch-Gemisch glasig. Unterwegs gibst du die ½ der Chouriço dazu und „über“würzt den Fonds mit der Gewürzpaste, bis die Zwiebeln alles aufgesaugt haben und ein dicker Brei entsteht.
  • Mit einer Tasse Wasser löst du den Brei wieder auf und gibst gut bemessen Meersalz dazu. (3–4 Prisen) aufkochen lassen, abschmecken, es darf „salzig“ schmecken.
  • In den blubbernden Sud rührst du den Reis ein, der die Flüssigkeit in sich einsaugt, wie ein Taschendieb dein Portemonnaie sich einverleibt, daher der Name Malandro für den speziell saugfähigen Reis.
  • Du gibst die nächste Tasse Wasser dazu, rührst weiter und das gesamte Fleisch dazu. Allmählich hellt sich die entstehende Sauce auf.
  • Die Pfanne darf auf hoher Hitze stehen, du bleibst bei ihr und rührst, mit Bedacht, mit Holzlöffel stetig um, damit die Reisekörner nicht zusammenpappen.
  • Nach ziemlich exakt 14 Minuten Kochzeit bettest du die Gambas in den nun schon allmählich stockenden Reis, sternförmig mit Schwanz zur Mitte. Das gibt ein feines Bild, und du streust nun die restlichen Wurstscheiben sowie Frühlingszwiebel in Ringe geschnitten großzügig darüber.
  • Noch einmal gibst du Wasser und etwas Zitronensaft in die Pfanne, exakt so viel, dass der Reis im Wasser steht, aber nicht mehr darin untergeht.
  • Jetzt stellst du die Temperatur auf Minimum, deckst die Pfanne mit einem Deckel (oder einer zweiten Pfanne, umgedreht) zu und lässt die Paelha weitere 3–4 Minuten gar ziehen. Fertig und perfekt hat der Reis alle Flüssigkeit absorbiert und schmeckt malandro diebisch gut. Bom apetite!

 

Fotos: JOSÉ MARIA DA FONSECA, CANVA

Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?

Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com


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