Der literarisch besungene Bauernwein »Vinho do Saloio«

Headerbild zum Blogartikel der Vinho Bar: Der literarisch besungene Bauernwein »Vinho do Saloio«. Bild mit Blick auf die Weinberge.

Die portugiesische Seele ist von schwerer körperlicher Arbeit gezeichnet und gleichzeitig von irrwitziger Lebenslust erhellt. Vielleicht passt der Genuss von Wein und das Volk der Portugiesen deswegen so gut zusammen. Vielleicht nennt man sie deswegen Lusitanier, Kinder Lusos, dem nach dem portugiesischen Nationalepos „Die Lusiaden“ von Luis de Camões erdichteten Begleiter vom Weingott Bacchus. Oder ist es gar die dionysische Fessel selbst, die das Herz Portugals mit schier unvorstellbarer Kraft und gleichzeitig mit unvorstellbar großer Sehnsucht füllt? Schauen wir uns auf der literarischen Spielwiese über den »Vino Português« ein wenig um.

Der unvergessliche »Mr. Pickham«, eine Art englischer Don Quixote aus Charles Dickens »Pickwicks Papers«, besang voller Lobes Portos Likörwein, aber ebenso den edel fruchtigen Weißen aus Bucelas unweit von Lissabon. Dickens identifizierte sich selbst durchaus mit seiner lebenslustigen und trinkfesten Figur, und sagte, serviert mir gute Tropfen, erst dann bin ich geneigt, eure Neugier zu füttern. Seine Figur sagte hingegen: »Selbst ein hartgesottener Typ, verschlossen und schweigsam, kann guten alten Wein genießen.« Hierfür, unter uns bemerkt, bewahrte Dickens in seinem Keller unter dem Hof alte Tropfen auf, übrigens eines seiner wohl gehüteten Geheimnisse, in die er sich zeitlebens gehüllt hat.

Sein Kollege, der britische Romancier Lord Byron stieg einst in Sintra ab. Dort goutierte Byron feinste Käse, dazu feine Weine. Der frisch Moussierende »Charneco« wie man damals landläufig den Bauernwein »Vinho do Saloio« aus Bucelas nannte, küsste seine Muse für lyrische Verse in »Childe Harolds Pilgerfahrt« wach, heißt es.

William Shakespeare seinerseits krönte den Bauernwein aus dem Land der Myrthe in seinem legendären Stück »Heinrich VI« zum Prinzen aller Portugalweine, mit dem Zitat: »Ein edler Weißwein, ein großmütiger Kamerad, er beschert Eintracht, sofern weise genossen.« Ein Gedankenfragment das du samt Shakespeares Konterfei auf den Flaschen der Weinmarke »Quinta da Murta« wiederfindest.

General Wellington ließ den so von Shakespeares Theaterhelden geadelten »Weißen Prinzen Portugals« an seine Soldaten vor der Schlacht im Iberischen Krieg gegen die Franzosen ausschenken und brachte den Wein aus Bucelas nach siegreicher Schlacht gegen Napoleons Truppen sogar dem englischen King George III als Souvenir aus Portugal mit, der diesen durchaus als göttlichen Nektar würdigte.

Unsterblich literarisch verewigt ist der Wein in der Familiensaga »Die Maias« des portugiesischen Romanciers Eça de Queiroz. Der Romancier beschrieb sich selbst als Mann mit Herz für französisches Savoir-Vivre und die Leichtigkeit des Seins, doch seine Seele ist und bleibt erleuchtet von Fado, Bacalhau und Wein aus seinem Land. Das liest sich zum Beispiel so: Der Buchhalter hob das Glas zur Nase, schloss die Augen und sog den Duft ein. Dann nippte seine Zungenspitze einen ersten Tropfen. »Ja, Afonso, es ist einer von uns. Ein Gereifter. Aus Bucelas. Feiner Nektar. Lass uns anstoßen, deswegen sind wir ja hier.«

In die Weinanbauregion Bucelas im Landkreis Loures reist du etwa eine Viertelstunde Fahrt nordöstlich von Lissabon. Acht »Adegas« schließen sich hier zusammen zur Weinroute »Rota dos Vinhos de Bucelas«, die dich auf traditionsgeführte Weingüter leitet und durch eine touristisch eher unbeachtete Gegend vor der Haustür der Kapitale. Hier spielt Landwirtschaft seit über 2000 Jahren bereits die Hauptrolle. Getreide, Mais, Ölpflanzen, bedecken weite Felder, die sich Richtung Tejo-Fluss am Horizont verlieren. Poröses, stark fossiles Kalksandsteinhaltiges Terroir bietet beste mineralische Voraussetzungen für den Anbau von Nutzpflanzen und die einst verkehrsgünstige Lage an der »Via Romana« zwischen Lissabon und Leiria brachte die Königin unter den Weißweintrauben in die Gegend: »Arinto«

Altes Weingut in der Gegend Arinto in Portugal. Kleines Haus in den Weinbergen.

Unter idealen Bedingungen auf 250 Meter ÜNN und umschmeichelt mit stetig milder Atlantikbrise, benetzt mit Luftfeuchtigkeit aus den Auen am Tejo, versorgt mit Aromen durch Myrthe, wachsen in und um Bucelas an bis zu drei Meter hohen Stöcken dicht gelegen, Dolden von durchschnittlich einem Kilo Gewicht mit kleinen prallen grünen Weinbeeren bespickt. Diese schmecken herbsüß, kräftig würzig und bescheren dem leicht moussierenden Bucelas-Wein eine natürlich sanfte Säure, die an Zitrusfrüchte in Blüte erinnert. Jung getrunken und eiskalt serviert, passt die »Weiße Königin« zu allem, was aus dem Meer kommt. Fünf bis zehn Jahre im Edelstahlfass oder in französischer Eiche gereift, entfaltet der »Arinto« sein eigenwillig präzises Bouquet mit Wiedererkennungsmerkmal zwischen grünen Apfelsorten bis exotische Fruchtnuancen. Deswegen trinkst du den Wein aus Bucelas am besten vom letzten Jahrgang gekeltert im neuen Jahr ab Mai einen Sommer lang. Oder du lässt ihn in Ruhe fünf Jahre reifen. 

Die Geschichte des Bucelas ist älter als alle anfangs erwähnten literarischen Verewigungen. Bekannt wurde der Rebensaft zunächst während der portugiesischen Entdeckerexpansion ab 1415, als einziger Weißwein Portugals und mit dem Export ins Vereinigte Königreich seit über 425 Jahren weltweit. Als »DOC« gesiegelt, gewann Bucelas die offizielle von der Weinkonföderation zugeteilte Demarkation allerdings erst im Jahre 1911. Alle Bucelas Winzer produzieren ausschließlich kleine Auflagen, die dank der Exklusivität rasch vergriffen sind.

Doch neben dem Besuch der Weingüter bietet dir der sanft hügelige Landkreis eine Menge weitere Aktivitäten an. Zum Wandern laden Wald und Flur ein, besonders der »Parque Linear Ribeirinha« über Holzstege am Tejo, an Reisfelder und Meersalz-Salinen entlang. Die Strecke führt etwa sechs Kilometer weit integriert in die GR30 und des Pilgerweges nach »Fátima« und »Santiago de la Compostela«. In der Kleinstadt Bucelas erwartet dich das Wein-Museum »Museu do Vinho e da Vinha«. In Loures das Museum der Portugiesischen Kriminalpolizeischule »Museu da Policia Judiçiaria«. Am Industriestandort Sacavém wurden einst die Fliesen für Portugals Fliesenbilder in Kirchen, Klöster und Paläste produziert, bemalt und glasiert. Dort lernst du Portugals Beitrag zur globalen Kunsthistorie mit den berühmten Azulejos kennen. Vielleicht möchtest du mehr über Arthur Wellesley und seine militärische Strategie als General Wellington im Kampf gegen Napoleons Invasion rund um Lissabon wissen? Dann bewegst du dich auf der »Rota Histórica das Linhas dos Torres« mit einer eigenen Applikation für das Handy genau richtig und triffst auf dem Parcours auf die Schauplätze während des Iberischen Krieges zwischen 1807 und 1814. Klickst du hier auf Englisch verfügbar: https://www.rhlt.pt/en/the-lines-of-torres/

Neue Ziele auskundschaften macht Appetit. Passend zum »Vinho do Saloio«, bietet die regionale Küche etliche Kreationen à la »Saloio« an. Dazu zählen Kohleintopf, Kaninchen. Bohnensuppe, oder Bacalhau. Bäuerlich zünftige Küche eben. Probiere zur Vorspeise Schnecken in Knoblauchsud gesotten, dazu einen »Arinto-Gin-Cocktail« oder ein schmackhaftes Malzbier mit dem melancholischen Namen »Saudade«. Als Häppchen gibt es milde Rohmilchkäsesorten mit »Arrobe de Arinto«, das ist ein Kompott aus Arinto-Trauben. Lass dir auf keinen Fall die regionalen Klostertörtchen entgehen. Mandel-Baiser »Arrepiado«, Myrthe-Törtchen »Manjoeireiro«, Biskuitkuchen »Pão de Ló« zergehen himmlisch süß auf der Zunge. Bucelas-Wein eisgekühlt, schmeckt überall dazu - zum Anstoßen natürlich – genauso wie Eça de Queiroz weise anmerkte: Deswegen bist du ja hier.

Vorschau auf den nächsten Artikel:

Von sauren Trauben und einem Fluch
Hier wächst Wein bis in den Himmel, heißt es unter Weinbauern, und wenn man an den steilen terrassierten Weingärten rechts und links der Ufer am Douro in Nordportugal hinaufblickt, stimmt man den Alteingesessenen zu. Trauben für den Wein der Noblen wachsen hier, süß und dunkel. Dabei fing alles einmal mit schrecklich sauren Trauben und einem Fluch an … » (erscheint am 15. Juli 2023)

SOMMERREZEPT
Arjamolho (portugiesische Gazpacho-Variante)

Arjamolho (portugiesische Gazpacho-Variante) 

Die portugiesische Gazpacho-Variante heißt »Arjamolho«. Am besten bereitest du sie zwei Stunden vor dem Verzehr zu und stellst sie anschließend in den Kühlschrank. Dieser flüssige Salat ist für heiße Tage wie geschaffen und kann wie eine kalte Suppe mit dem Löffel genossen werden.

Zutaten:
Für eine große Schüssel nimmt du zwei bis drei reife aber noch schnittfeste rosa Tomaten, 2 Salatgurken, 1 rote, 1 gelbe, 1 grüne Paprika, 1 Gemüsezwiebel, 4 Knoblauchzehen, würfelst alles in sehr feine Würfel oder nimmst die 1-2-3-Küchenmaschine auf kleiner Stufe zur Hilfe. Das gehäckselte Salatgemüse samt Gemüsesaft füllst du in eine Schüssel aus Glas oder Keramik.

Zum Würzen nimmst du gut bemessen Olivenöl, Weißweinessig, nach Gusto grobes Meersalz, 1 Tl Oregano, 1 Bund gehackter Koriander, 1 Bund gehackte glatte Petersilie.

Der Salat soll nach dem Würzen im Kühlschrank kräftig Flüssigkeit ziehen und in seinem eigenen Saft schwimmen. Gegebenenfalls gießt du etwas kaltes Mineralwasser an, salzt nach, und mischst alles gut durch.

Zum Schluss toastest du Toastbrot oder Brot vom Vortag knusprig, schneidest jede Scheibe danach in kleine Würfel und stellst die so selbst gemachten Croutons mit auf den Tisch. Zur »Arjamolho« servierst du eine Käseplatte mit würzigen Käsesorten.

Die Salatschüssel stellst du aus dem Kühlschrank mit Suppenkelle auf den Tisch, jeder bedient sich selbst und bestreut die »Arjamolho« nach Gusto mit Croutons.

Der aus Alvarinho und Pinot-Noir gekelterte gut gekühlte Roséwein »Soalheiro Rosé« aus der VINHO-Bar harmonisiert mit seinem leicht mineralischen Bouquet hervorragend sommerlich dazu.

Bom appetit!

 

Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?

Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com


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