Wein muss atmen

Weinberge im Alentejo. Im Vordergrund sind Eimer mit roten Trauben zu sehen, im Hintergrund ein Weinberg. Bild vom Blogartikel der Vinho Bar in Wuppertal.

Wein muss atmen. Am besten gedeiht er deswegen in Gegenden, in denen seicht und stetig Wind weht. So wie in Portugal.

Wo Zephyr laue und warme Luft aus Afrika an Portugals verzaubernde Küste bringt, wo Kühle bescherende Lüftchen aus der Hochebene des »Alentejo« und aus den Bergen in »Trás Os Montes« und dem »Minho« durch das Land streifen. Überall. Ständig. Weich und warm, oder kalt und hart, je nach Jahreszeit, da wächst Wein gerne. Mild sollte das Klima sein, das Ambiente Sonnen geküsst, der Boden bitte mineralstoffreich. Portugal bietet gleich alle Zutaten und von allen reichlich. Optimale Bedingungen also für die Weinkultur »Vinicultura«, so dass sich von Norden gen Süden und vom Meer bis zur Grenze an Spanien zwölf demarkierte »DOC« Weinlandschaften ausbreiten, und Portugal zu den ältesten Weinanbauregionen der Welt erheben.

Alles begann mit Seefahrern aus dem Zweistromland, erzählt das Homer Epos »Odyssee«, die aufbrachen Richtung Westen. Mutig nahmen sie Kurs durch das Wassertor zwischen Nordafrika und Süd-Iberien auf offene See, und segelten nach stürmischer Fahrt an der Küste der heutigen Algarve entlang, am Ende der Welt in Sagres vorbei weiter nordwärts, bis sie eine gigantische Flussmündung erreichten. Den Tejo. Kapitän Ulysses ließ ankern und erkundete die Umgebung. Fruchtbare Auen drängten an beiden Ufern des Tejo landeinwärts und in die setzten die Seefahrer mitgebrachte Weinpflanzen vor etwa 3000 Jahren für das erste Weinanbaugebiet in Portugal ein.

Ulysses Route bis »Olissipo«, dem heutigen Lissabon, folgten nach ihm etliche weitere Seefahrernationen. Während der Spätantike gehörte Lusitanien zu den Imperien aus Karthago, Phönizien und Rom, im Mittelalter zum Maurischen Iberien. Alle verband sie die Freude am Weingenuss, aber noch mehr das wirtschaftliche Interesse im Weinhandel. Abgefüllt in Kalabassen und Amphoren, aber am liebsten in Holzbottichen, trat Portugiesischer Wein an Bord einer Armada Handelsschiffe, seine Eroberungstour auf dem globalen Weinmarkt an. Wein und Holz und Seegang vertragen sich gut, fand man bald heraus, der frisch Gekelterte gewann während der monatelangen Schiffspassagen durch das Geschaukel im Fass an Volumen und Bouquet. Der Barrique-Wein war geboren.

Etliche bedeutende Stationen der Europäischen Geschichte später, und gleich nach der Christlichen Rückeroberung im Königreich Portugal, rief König D. Dinis zu Beginn des 14. Jahrhunderts zur landwirtschaftlichen Urbarmachung und Urbanisation im Landesinneren auf. Per Dekret ließ er Wälder und Getreidefelder kultivieren, Oliven, Zitrusfrüchte und Korkeichen pflanzen, die Universität von Coimbra bauen, und legte Portugiesisch als offizielle Schriftsprache fest. D. Dinis gründete den portugiesischen Christus-Ritterorden und der übernahm den Ehrenkodex der Tempelritter. Zudem lud der als Bauernkönig bekannte Landesfürst, Benediktiner, Zisterzienser, und Franziskaner Ordensbrüder in sein Königreich ein, um den Weinanbau zu forcieren. So dauerte es nicht lange und der Klerus trank geweihten Messwein aus Portugal. Heilige Tropfen aus heiliger Erde, von Knechten und Mägden gelesen, die den Wein nur mit Wasser verdünnt trinken durften.

Auf der Südseite des Tejo, Lissabon gegenübergelegen, ragt eine Kordilleren-Halbinsel in die Höhe, auf ihrer Spitze thront ein Burggemäuer. Sie gehört zur Liegenschaft des Herzogs von Palmela und verfügt über eine atemberaubende Aussicht auf die Bucht von Setúbal. Heute ist in der Festung eine luxuriöse Pousada-Herberge untergebracht, doch 1381 wurde dort der erste Export-Handelsvertrag für die Ausfuhr vom Süßwein »Moscatel« nach England besiegelt. Die Nachfrage nach dem wohlbekömmlichen Dessertwein, und nach den warmen Roten mit samtigem Bouquet aus der Region am Tejo und Sado, schnellte in die Höhe. Immer mehr Weinanbauflächen entstanden, die Weinlandschaft dehnte sich aus. Der Weinhandel schwang sich als lukratives Gut auf zur nachhaltigen Wirtschaftssäule und bleibt es auch 600 Jahre später nach wie vor.

Im gesamten Land entstanden Klöster-Abteien und Grafschaften mit Residenzen inmitten üppiger Weingärten, die Portugals Wein-Landkarte bis heute schmücken. Die Klosterabtei »Cartuxa Santa Maria Scala Coeli« bei Évora im Süden Portugals, im Land ohne Schatten, wie Alentejanische Bauern ihre Region, den »Alentejo« nennen, ist eine dieser Enklaven, und das gleichnamige Weingut nebenan produziert bis heute wuchtige Rotweine.

Die geografisch größte Provinz Portugals liegt südlich des Tejo ausgebreitet. Im »DOC« Alentejo dominieren Rebsorten für Rotweine, wie »Trincadeira«, »Syrah«, »Alicante Bouschet«, »Touriga Nacional«, und »Aragonez«, letztere auch bekannt als Tempranillo. Sogleich denkt man an Temperament, stimmt, temperamentvoll sind alle Alentejo-Rotweine. Die Ex-Libris im Alentejo für Weißweine ist die »Antão-Vaz« Traube. Niemand weiß, woher diese Rebsorte ursprünglich stammt, doch die Stöcke fühlen sich wohl, gedeihen bedürfnisfrei auf karg bewachsenen Hochebenen des Alentejo und verleihen dem »Vinho Branco do Alentejo« einen überraschend weichen Fruchtcharakter mit Aromen nach Aprikose und Mirabelle mit einem Hauch Vanille.

Im Norden Portugals befindet sich die 2001 zur UNESCO Weltkulturerbe ernannte Weinanbauregion »Alto Vinhateiro«. Mitten durch eine felsige Bergregion pflügt der Douro-Fluss aus Spanien kommend bis zur Hafenmetropole Porto und dort ins Meer. An beiden Seiten des Douro türmt sich ein Gebirge auf, dahinter noch eines und dahinter noch eines, und noch mehr, so dass man es »Hinter den Bergen» nennt. An den Steilhängen fließen Rebstöcke in Reih und Glied gestellt herab. Ein Stillleben, gemalt in Blau und Grün und Grau aus Himmel, Weinberge, Douro und Schiefergestein. Die Weingüter, genannt »Quintas«, thronen weiß getüncht mittendrin. Über hundert Flusskilometer zieht sich der Weingarten im Douro-Tal und hinter den Bergen dahin, von dem es heißt, Bachus höchstpersönlich habe hier sein Blut in die dröge Erde auf Granit und Schiefer tropfen lassen. Gedankt ist die Weinlandschaft aber tatsächlich der Kraft abertausender Weinberg-Arbeiterinnen, die das einst karg bewachsene und von eher mediterraner Flora geprägte Tal des Douro mit Händearbeit in einen blühenden Weingarten verwandelt haben. Mehrere Jahrhunderte lang hat es gedauert, Terrasse um Terrasse, Stein auf Stein, zu Stufen zu stapeln und in Reih und Glied Weinstöcke zu setzen. Dunkle und helle Trauben für charakteristische Douro-Weine und für den weltberühmten Likörwein »O Vinho do Porto« gedeihen hier.

Im Nordwesten im »Minho« ist Portugal, grün, grüner, am grünsten, und so wundert es kaum, dass Wein aus dieser größten Weinanbauregion Portugals Grüner Wein, »O Vinho Verde«, heißt. »Wir machen Wein für jeden Anlass«, sagen die Winzer im »Minho« stolz, und das können sie sein. Auf ihre autochthonen Rebsorten, mit denen sie nicht nur weiße, rosé, und rote Weine keltern, sondern exquisite Schaumweine, sowie einen eigenen Bagassen-Weinbrand, den sogenannten »DO-Aguardente« destillieren, der sich mit seinen Altersstufen zwischen »VSOP« und »XO« qualitativ einreiht zwischen die Brandmarken »Armagnac« und »Cognac« und den wohlklingenden Markennamen »DO da Lourinhã« trägt.

»Lisbon-Hock« Weißwein aus »Bucelas« goutierte bereits William Shakespeare, während General Wellington ihn 250 Jahre später an seine Truppen im Krieg gegen die Napoleon-Invasoren austeilte. Ob vor oder nach der Schlacht, bleibt unbeantwortet. Jedenfalls hat der General an der Spitze des portugiesischen Heers mit Unterstützung englischer Truppen, Napoleons Regiment besiegt.
Portugals Weinlandschaften sind weit, und jede für sich ist einzigartig. Die Aromen Vielfalt verrät einiges über Land und Leute und die allerorts erzählten Mythen sorgen zudem für unendlich viele Episoden über Wein und vom Wein, von denen Du an dieser Stelle 14-tägig lesen kannst. Viel Spaß!

Vorschau auf den nächsten Artikel:

Auf ein Glas Wein mit dem Herzog
Der schönste Platz für ein Glas Wein aus dem Weinanbaugebiet »DOC Palmela« ist die Kapelle der Erinnerung. Sie steht auf dem Kap Espichel, auf der höchsten Klippe Europas am Westend der Serra Arrábida. Am anderen Ende der Kordilleren thront die Burg »Castelo de Palmela«. Dazwischen liegt das Herzogtum Palmela ausgebreitet, und auf dem herzoglichen Landgut »Casa da Calhariz«, wird nach wie vor Rotwein gekeltert. Die älteste Sorte, übrigens, und nur für die Gäste des Herzogs… »Jetzt lesen

REZEPT
Bacalhau á Paulinha

Vinho Bar Rezeptbild: Bacalhau auf einem Teller angerichtet.

 

Zutaten für 4 Portionen:

  • 600 g Bacalhau, gewässert und in grobe Streifen gezupft, oder frischer Kabeljau (alternativ tiefgekühlt) in kleine Portionen geschnitten
  • 4 Süßkartoffeln, 1 Möhre, 2 Zwiebeln, Knoblauch nach Gusto, Oliven, 1 rote Paprika, Bechamel
  • Olivenöl, Meersalz, Lorbeerblatt, Paprikapulver süß


Zubereitung:

  • Zwiebeln in feine Halbmondscheiben schneiden, Paprika entkernen und in Streifen schneiden, Knoblauch schälen und hauchdünn schneiden, Möhre schälen und fein vierteln
  • Süßkartoffeln mit Schale und einer guten Prise Meersalz im Wasser, gar kochen, schälen, längs halbieren und nebeneinander in einer feuerfeste Form betten.
  • In einer Pfanne mit hohem Rand das Olivenöl erhitzen, Zwiebel, Knoblauch, Paprika und Möhrchen dünsten, Bacalhau/Kabeljau dazugeben. Mit einer Prise Salz nach Gusto und ½ TL Paprikapulver würzen. Auf kleiner Flamme gar ziehen lassen, bis sich Eigensaft bildet. Den Sud samt Zwiebel- und Fischmix über die Süßkartoffeln verteilen. Mit Bechamel zudecken. Ein Dutzend Oliven einsetzen und den Auflauf für ca. 20-25 Minuten in den auf 220° C vorgeheizten Ofen mit Umluft gratinieren lassen, gerne am Schluss noch ein paar Minuten bei Oberhitze. Dazu passt wunderbar Blattsalat.


»Bom appetit«


Wein-Empfehlung aus der Vinho Bar: Quinta dos Castelares - Pinot-Noir Roséwein

Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?

Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com


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