Nach einem feinen Mahl gönnt man sich gerne einmal einen Digestif. Das kann ein Obstler sein, ein Likör, oder ein edler Weinbrand…
In allen drei Kategorien hat Portugal einiges zu bieten. Zum Beispiel den einzigartigen Baumerdbeerschnaps namens »Medronho«, der im Süden des Landes, hauptsächlich im Algarve in den Bergregionen Monchique und Loulé, jeden Winter wieder aus Baumerdbeerfrüchten gebrannt wird. Ein hochprozentig Klarer reines Fruchtdestillat, das die Bauern und Fischer im Algarve auch gerne Moskito nennen, weil er als Digestif genossen im Magen prickelt. Erdbeerbäume gedeihen auf Kalkhaltigen Böden, sind Winterblütler und bescheren den Bienen zwischen November und Januar Nektar für herben Medronho-Honig, während gleichzeitig die Früchte reifen. In Holzfässern fermentieren in den Wäldern der Serras von Hand gepflückten, pelzig, bitter-süßen Beeren bis Karneval, danach wird destilliert und der frische Medronho traditionell am ersten Mai zusammen mit Feigenkonfekt goutiert.
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Andere Früchte Portugals, sogar vom Johannisbrotbaum, fermentieren zu köstlichen Likören, oder werden zu Edelbränden destilliert. Bei den Likören kennst du bereits den Portwein aus dem Tal des Douro, den noblen Wein aus Porto, und seine Erfolgsgeschichte. Doch es gibt noch andere hausgemachte und kommerzielle Liköre aus Honig, Zitrusfrüchten, Waldbeeren, Walnuss oder Mandeln.
Portugals Edelweinbrand »Aguardente Velha“ stammt aus Lourinhã und zählt zu den Insider-Digestifs, die wegen limitierter Produktion nicht überall angeboten werden. Lourinhã ist ein gerade einmal 150 Kilometergroßer Landkreis am Nordwesteck des Regierungsbezirks Lissabon direkt am Atlantik ausgebreitet und neben den französischen Cognac und Armagnac Marken, die dritte europaweit anerkannte demarkierte Region für DO-Weinbrand mit Herkunftssiegel.
Ein kulinarischer – und kultureller Geheimtipp, doch der »Aguardente Velho«, ist längst nicht das einzige Geheimnis von Lourinhã. Nur eine Fahrtstunde von Lissabon entfernt, erwartet dich ein weitläufig angelegter Jurassic-Park mit sage und schreibe sechs Strecken unterwegs auf Dino-Spuren zu Urzeit Abenteuern mit über einhundert, lebensgroß gestalteten (!) Dinosaurier Skulpturen. Sogar bis in die Innenstadt von Lourinhã dringen die nachgebildeten Schuppenwesen vor und bevölkern Plätze, Straßen, und Parks. Zufall ist das natürlich keiner, zählt Lourinhãs Küste, wie die gesamte Westküste Portugals, zu den ältesten Erdformationen überhaupt, mit 225 Millionen Jahren Erdengeschichte. An dem mit insgesamt über zwölf Kilometer sich mit feinstem Sand ausbreitenden Strand, merkst du da nicht viel, außer du gehst zum Wellenreiten und freust dich über die Wogen, die sich über die Unterwasser Riffzähnen auftürmen und dich mittragen.
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Gut erreichbar war und ist die Küste hier mit kleinen Booten. Die Buchten südlich der Halbinsel Peniche bieten zudem Schutz vor Nordwind, und so fiel die Wahl der französischen Invasoren auf diesen Abschnitt der Küste, um dort anzulanden und gen Lissabon zu marschieren. In der historisch bedeutenden Schlacht von Vimeiro unter dem Kommando von General Wellington, konnten die Franzosen am 21. August 1808 endgültig besiegt und aus Portugal vertrieben werden. Rund um Vimeiro und im Museum erlebst du die jeweiligen Schauplätze und Hintergründe zu Napoleons Einmarsch in Portugal, und am Jahrestag steht das militärische Großereignis alljährlich nachgespielt wieder auf.
Von Dinosauriern verfolgt, an Europas bewegte Geschichte erinnert, bringt dich Portugals traurigste Liebesgeschichte auf andere Gedanken. Pedro und Inês, der König und die Zofe der Königin, sind die Protagonisten einer Tragödie, die sich sonst nur ein Literat ausdenken mag. Die eigenen Eltern haben die Geliebte ihres Sohnes umbringen lassen und mussten bitter dafür bezahlen: Pedro ließ Inês exhumieren und auf den Thron setzen. Sämtliche Meuchelmörder mussten vor der Leiche im Königinnengewand und gekrönt, niederknien, und ihr die Hand küssen. Die mit religiösen Bildern ornamentierten Sarkophage der beiden unglücklich Verliebten stehen sich in der Weltkulturerbestätte im Zisterzienserkloster von Alcobaça gegenüber, so das am Tag des Jüngsten Gericht beide gleichzeitig auferstehen und sich wiedersehen. Die Gemeinde Moledo erzählt das Drama, anhand zeitgenössischer Skulpturen vor mittelalterlicher Kulisse in den Gassen aufgestellt, nach.
Zurück in Lourinhã erwartet dich die Weinbrand-Kooperative »Adega Cooperativa da Lourinhã« mit Kostproben feinster »Aguardente Velha«. Die Kooperative bedient sich der Rebsorten »Alicante, Alvadurão, Boal, Espinho, Mariquinhas, Malvasia Rei, Cercial, Tália, Fernão Pires, Rabo de Ovelha, Siria, Seara Nova e Vital«, und produziert zunächst säurehaltigen Weißwein mit 10% Alkohol, sowie aus roten Trauben »Cabinda, Carignan, Periquita und Tinta Miúda« einen ebenso leicht alkoholisierten Rotwein als Basis für die DOC-Lourinhã Weinbrände unterschiedliche Reifegüte.
Foto: Adega Cooperativa da Lourinhã
Die Weinfelder liegen in der portugiesischen Extremadura nordöstlich von Lissabon dicht an die Atlantikküste geschmiegt, wo auf vierzig Hektar Anbaufläche vornehmlich Rebsorten für »Aguardente Velha« wachsen. Die von der Weinkommission Lissabon CVR 1957 gegründete Spirituosenmarke mit DO belieferte bis dato exakt 220 Jahre lang die großen Quintas im Tal des Douro mit Weinbrand zur Gewinnung von Portwein, bis sich findige Weinbauern in Lourinhã darauf besonnen haben, eine eigene Marke am Weltmarkt zu etablieren. Mit Erfolg. In der DOC-Lourinhã reifen in portugiesischen oder französischen Eichenholzfässern edle Tropfen, die mittlerweile zahlreich von nationalen und internationalen Weinkommissionen prämiert wurden.
Kein Wunder, bei der exquisiten Traubenqualität und traditionellen Produktionsmethode, die auf insgesamt 850 Jahre Erfahrung Weinbrand destillieren aufbaut, so soll laut Chronik sogar schon der erste König Portugals den am Gaumen schmelzenden Aguardente zu schätzen gewusst haben. Durchlüftet von atlantischer Brise bei durchschnittlichen Tagestemperaturen von16° Grad Celsius wachsen die Stöcke inmitten klug durchdachter Landwirtschaft zwischen Kürbisplantagen und Kernobst Hainen auf urzeitlich mineralreichem Terroir. Aus einhundert Liter Wein gewinnt man zehn Liter »Aguardente Velha«, das den Qualitätsansprüchen seitens der Weinkommission entspricht. Die Trauben fermentieren gänzlich ohne önologische Zusätze und Sulfatfrei, und der Wein wird anschließend hochprozentig gebrannt. Danach reift der »Aguardente Velha« ohne Konservierungsstoffe oder Farbzusätze im Barrique.
Auf diese Weise hergestellt, genießt du wohlig wärmende Schlucke Weingeist, entweder zwei Jahre und älter mit VS (Very Superior), vier Jahre oder älter als VSOP (Very Superior Old Pale), oder extrareif fünf Jahre oder älter mit XO (Extra Old) Siegel gekennzeichnet. Am besten mit Weinbrand-Pralinen »Bombons da Aguardente« aus Valronha-Schokolade, traditionellen Sandküchlein, oder einem Stück Santa Isabel Kuchen dazu schnabuliert.
Für Naschfreudige deftiger Häppchen gibt es aus der portugiesischen Schlemmerküche heute „Flambierte Chouriço Hausmacherrotwurst“, Rezept von Randolph Kroening:
Fotos: Randolph Kroening
Wer etwas Schnelles, Herzhaftes und gleichzeitig Leichtes für Sommerabende sucht, für den ist eine am Tisch gegrillte »Chouriça Assada« genau das Richtige. Und wenn man Gäste hat, ist der Wow-Effekt garantiert.
Es gibt in Portugal Terracotta-Geschirr speziell für diesen Zweck. Das Verfahren ist denkbar einfach: das Geschirr wird mit einem hochprozentigen Alkohol gefüllt, die Chouriço platziert und der Alkohol entzündet. 10-15 Minuten bei mehrmaligem Wenden reichen. Da das Fett aus der Chouriço nach unten tropft und das Feuer füttert, ist es meist nicht notwendig, Brennalkohol nachzugießen.
Zwei schwere Entscheidungen gibt zu treffen: Welchen Brennalkohol zum Grillen, und welche Chouriço?
Theoretisch funktioniert natürlich jeder Alkohol, der über 40 % liegt. Wie bei allem läuft es auch hier wieder auf den persönlichen Geschmack heraus. Ein Brandy, Rum oder Whiskey haben ein starkes Eigenaroma, das sich auf die Wurst überträgt. Wenn das gewünscht ist, gar kein Problem. Ich nehme Bagaceira, ein portugiesischer Tresterbrand, ähnlich einem Grappa, die auch in meinen Krimis hin und wieder erwähnte Marke „São Domingos“ ist hierbei mein Favorit.
Bei der Chouriço läuft es ausschließlich auf den persönlichen Geschmack hinaus, und dass es tatsächlich hunderte verschiedene Sorten gibt, macht es nicht einfacher. Ich verwende sehr gern Chouriço vom Porco Preto. Etwas problematisch ist Alheira, die kein fettreiches Schweinefleisch, sondern Huhn oder Pute enthält oder inzwischen auch komplett vegetarisch ist und somit leichter einfach nur „verkokelt“ ohne gleichzeitig den intensiven Geschmack zu entwickeln.
*übrigens: Die »Alheira« ist eine Erfindung der ab 1497 per königlichem Dekret zwangskonvertierten Juden. Ihre Religion verbot ihnen, Schweinefleisch zu essen, um aber nicht aufzufallen – und sich damit der grausamen Verfolgung der Juden in Portugal auszusetzen – haben sie ihre eigene „Chouriço“ erfunden, die vor allem Geflügelfleisch, Knoblauch, Brot, Öl und verschiedene Farbstoffe enthielt.
Autorinnen-Steckbrief – wer schreibt?
Olá, ich bin Catrin Ponciano. Portugal ist meine Wahlheimat seit 1999. Bis 2006 war ich Küchenchefin, dann habe ich in Portugal das Messer gegen einen Stift als Werkzeug getauscht. Seither veröffentliche ich redaktionelle Beiträge und Blogs über Portugals Kultur, Geschichte, Politik, über Land und Leute, über Kulturerbe, Musik und Kunst, und über allerfeinste Speisen, Märkte, Weine, und Liköre. Als Schriftstellerin publiziere ich literarische Reisebücher, Essays, und Kriminalromane am Schauplatz Portugal. Als Kulturvermittlerin begleite ich Bildungsreisen, Journalistenreisen und TV-Drehteams. Wer mehr über mich erfahren möchte, schaut und liest hier weiter: www.catringeorge.com